Mittwoch, 7. Juni 2023

Das Theodizee-Problem

Als ein Atheistisch an Gott glaubender Mensch war das Thedizee-Problem für mich nie das Entscheidende. Ich glaube nicht an den „Traditionellen Gott“ weil es einfach kein Indiz für dessen Existenz gibt. Dennoch möchte ich auf das Theodizee-Thema eingehen, weil ich mich gerade mit dem Determinismus beschäftigte. Theologen behaupten häufig, Gott habe dem Menschen einen freien Willen geschenkt und der Mensch sei deswegen selbst für das „Böse und Negative“ verantwortlich. Mal abgesehen davon, dass dies nicht das Leid durch Naturkatastrophen erklärt und auch nicht was ein Opfer dafür kann, dass ein Täter ihm willentlich Leid zufügt, muss man den traditionellen Theologen etwas ganz anderes erwidern. Den freien Willen gibt es schlicht nicht. Nun bin ich weit davon entfernt den primitiven Atheismus im traditionellen Sinne zu vertreten, aber trotz der Quantenfluktuationen, die einen „ echten Zufall“ möglich machen, ist im Prinzip alles deterministisch. Das heißt es gibt keinen freien Willen. Viele Menschen, darunter auch Physiker, wollen das nicht wahrhaben, aber das ist unerheblich. Die Realität ist unbestechlich und es ist ihr völlig wumpe, was Menschen denken. Es gibt Physiker, die Theorien aufstellen, die trotz Determinismus einen freien Willen postulieren. Aber das sind Taschenspieler-Tricks. Im Grunde behaupten sie, es gebe einen freien Willen, weil der Wille eines Menschen unvorhersehbar ist. Das ist richtig, aber auch ein Würfelspieler weiß nicht, wieviel Augen der Würfel nach dem Wurf hat, weil er nicht alle Bedingungen kennt. Das wir die Zukunft nicht vorhersehen können, weil wir nicht alle Informationen haben, ändert nichts daran, dass die Zukunft des Universums schon feststeht. Und selbst das muss man relativieren: Das auch das Universum nicht ewig existiert ist unter Wissenschaftlern unstrittig. Aber meine Auffassung, dass das Allumfassende Gott ist, steht nicht im Widerspruch zur Kosmologie. Atheistisch an Gott glauben kann nie im Widerspruch zur Wissenschaft geraten.

Freitag, 10. Februar 2023

Zur Religion am 08.02.2023

Es gibt Theologen die behaupten, Gott sei undefinierbar. Aber wie kann etwas undefinierbar sein? Mir scheint es, als scheuen solche Theologen nur davor zurück Gott zu definieren, denn sobald eine Definition steht, kann man sagen, ob man daran glaubt oder nicht. Ein Gott der irgendwas sein soll, ist ein Gott mit dem ich nichts anfangen kann. Auch der bekannte Spruch „Wer Gott definiert, ist schon Atheist“, ist meiner Meinung nach unsinnig. Ich kann nur sinnvoll über Gott sprechen, wenn klar ist, was man darunter versteht. Ich definiere Gott bekanntlich so: „Gott ist Alles“. Und dieses „Alles“ beinhaltet nichts Übersinnliches, keine höhere Macht, keinen Dualismus. Auch wenn es vielen Pantheisten nicht gefällt, dass ist der wirkliche Pantheismus. Wer an eine höhere Macht glaubt, ist in meinen Augen kein Pantheist. Das Gott nur ein anderer Begriff für Alles ist, stört mich nicht. Ich kann auch sagen: Gott ist der religiöse Begriff für Alles. Es macht für mich Sinn dieses „Alles“ als Gott zu bezeichnen. Alles bzw. Gott ist die höchste Instanz und das, was die eigene Existenz überdauert. Dafür steht ja der Begriff Gott traditionell. Atheisten bezeichnen Gott manchmal spöttisch als imaginären Freund. Das Gott imaginär ist kann man natürlich so sehen. Freund ist mir aber zu wenig, ich würde eher „Imaginärer Begleiter“ sagen, wenn ich Gott als Imaginär sehe. Der atheistische Pfarrer Klaas Hendrikse sagte einmal, er könne mit Menschen gemeinsam aufbrechen, die sagen „Gott existiert“. Mit Menschen die sagen „Es ist unwichtig ob Gott existiert“, könne er noch nicht mal das, ein solcher Mensch könne gleich auf seinem Stuhl sitzen bleiben. Klaas Hendrikse hatte Recht.

Freitag, 20. Januar 2023

Anmerkung zur Relevanz von Religion

Warum Religion auch für Atheisten keine Zeitverschwendung ist Atheisten und auch Gläubige behaupten, Religion sei reine Zeitverschwendung, wenn man nicht an Gott glaubt. Das ist nicht richtig. Nun ist es bei mir so, dass ich im Grunde atheistisch an Gott glaube. In meinem Blog-Beitrag: Zusammenfassung „Mein Gott – Meine Religion“, habe ich schon beschrieben, was damit gemeint ist. Aber auch ein traditioneller Atheist kann sich durchaus sinnvoll mit dem Glauben auseinandersetzen. Es ist wie bei der Kunst. Kunst ist auch etwas Abstraktes, dennoch sind viele von der Kunst fasziniert und damit ist für diese Menschen die Kunst sinnvoll. Es kommt z.B. bei der Person Jesu gar nicht darauf an, wer er wirklich war. Es ist noch nicht mal bewiesen, ob er überhaupt existiert hat, auch wenn das wahrscheinlich ist. Auch ich glaube das Jesus ein ganz normaler Mensch war. Es kommt aber darauf an, was man mit Jesus verbindet. Selbst wenn er noch nicht mal existiert hat oder nur ein einfacher Wanderprediger war, selbst wenn die Bergpredigt nicht wirklich stattgefunden hat, ist die Bergpredigt und viele Aussagen, die ihm zugeschrieben werden ein Füllhorn von Ideen, mit denen man sich auseinandersetzen kann. Mit Gott verbinden die meisten Menschen ein allmächtiges Wesen oder eine höhere Macht. Das mag naiv sein, trotzdem kann es interessant sein, sich damit auseinandersetzen. Was interessant ist, ist auch sinnvoll für einen Menschen. Hoimar von Ditfurth schrieb einmal, dass die Bibel einige wertvolle psychologische Hinweise enthält. Ich denke da z.B. an die Feindesliebe. Ein für mich unerreichbares Ideal, aber sicher ein Ideal den man sich nähern sollte. Die Religion bietet auch immer wieder neue Gedankenansätze. Für mich wäre es geistige Armut, wenn ich auf diese verzichten würde. Ich bin im üblichen Sinne Atheist, ja sogar Nihilist. Manche halten mich auch für einen Pantheisten. Ich zähle mich aber nicht zu den Atheisten, Nihilisten oder Pantheisten. Sollte ich an der einen oder anderen Steĺle früheren Blogbeiträgen widersprechen, liegt das einfach daran, dass auch ich mich weiter entwickele. Noch eine Anmerkung zur griechischen Mythologie: Die alten Römer hatten nicht Sterbliche, aber vergängliche Götter. Wie immer das gemeint war, ich finde den Gedanken bestechend. Der Planet Mars ist nach dem griechischen Kriegsgott benannt. Der Mars wird, wenn es mit unseren Sonnensystem zu Ende geht, in die Sonne stürzen und vergehen. Ein interessanter Gedanke!

Freitag, 11. November 2022

Die organisierte Religion

Die organisierte Religion, in unserem Kulturkreis vor allem das Christentum, sollte sich einem neuen Gottesbild öffnen. Natürlich kann man letztendlich nicht beweisen, dass etwas nicht existiert, aber der Glaube an ein höheres Wesen bzw. eine höhere Macht, überhaupt an etwas Übersinnlichen ist sehr unglaubwürdig. Anderseits ist auch der traditionelle Atheismus keine Alternative, weil er einfach etwas, in diesem Falle die Religion, ganz ablehnt. Dabei sind Wissenschaft und Religion keine glatten Gegensätze. Stephen Hawking hatte schon Recht, als er die Kosmologie als eine Religion für intelligente Atheisten bezeichnete. Selbst wenn die Wissenschaft alles erklären könnte, vertritt auch die Wissenschaft ein bestimmtes Weltbild, wenn auch ein richtiges Weltbild. Und ein Weltbild ist im Grunde letztlich Religion. Das Christentum sollte aber Gott nicht ganz aus der Religion verbannen. Der Bedarf nach einer höchsten Instanz verschwindet ja nicht. Es bieten sich hier der Physiomonistische Pantheismus und die atheistische Theologie an. Diese wird von atheistischen Dogmatikern häufig in völliger Unkenntnis, was sich dahinter verbirgt, als Unsinn bezeichnet. Das ist eine ganz besonders dümmliche Form von Ignoranz. Das Christentum sollte demnach verschiedene Gottesbilder zulassen, sei es das traditionelle Gottesbild, einen atheistischen Gott oder einen Mittelweg. Ich bevorzuge wie schon oft von mir beschrieben ein atheistisches Gottesbild.

Montag, 31. Oktober 2022

Zusammenfassung „Mein Gott - Meine Religion“

Punkt 1 : Ich vertrete wie schon erwähnt einen physiomonistischen Pantheismus. Gott ist alles. Dieses „Alles“ ist die höchste Instanz. Das dieses „Alles“ ein höheres Wesen oder eine höhere Macht enthält, halte ich für eine Illusion. Ich kann letztendlich auch nicht beweisen, dass etwas nicht existiert, aber der Glaube an ein allmächtiges Wesen erscheint mir doch sehr naiv. Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf. Das Universum kennt kein Ziel und geht seinen eigenen Untergang entgegen. Wir Menschen sind im Übrigen viel zu unwichtig. Punkt 2: Die Träume und Ängste eines Menschen machen unter anderen einen atheistischen Gott aus. Gott zeigt sich in den Geschehnissen dieser Welt. Punkt 3: Feste wie Weihnachten oder Ostern haben für mich immer noch einen gewissen Flair, so dass ich sie auch gerne unter dem Stichpunkt „ Religion“ ablege. Punkt 4: Meine Standpunkte, wie z.B. mein Eintreten für den Sozialismus oder meine Ablehnung der Todesstrafe. Meine politischen Standpunkte sind ein wichtiger Anker und geben mir Kraft, unabhängig davon, ob etwas davon realisiert wird. In dem Punkt bin ich weder zu optimistisch noch zu pessimistisch. Warten wir es ab. Punkt 5: Sonstiges, wie z.B. das Nachdenken über das Universum oder den Tod. Fazit: Ich glaube nicht an einen personalen Gott und auch nicht an einen Gott in Form einer höheren Macht und dennoch: Ohne Gott geht es auch nicht. Kompliziert? Aber so schaut’s aus.

Freitag, 21. Oktober 2022

Atheistisch Glauben

Atheistisch Glauben „Atheistisch glauben“ ist ein Buch des Theologen Hartmut von Sass. Es handelt im Prinzip davon, dass, wenn ich es richtig verstanden habe, Gott nicht als Wesen zu begreifen ist und auch nicht als eine „Höhere Macht“. Neu ist das nicht, schon Dorothee Sölle (War eine bekannte Theologin) und Klaas Hendrikse (War ein niederländischer Theologe) stießen ins gleiche Horn. Dennoch ist interessant, wie es Hartmut von Sass sieht. Gott zeigt sich demnach in menschlichen Handeln, in seinen Träumen und Ängsten. Leider hat das Ganze meiner Meinung nach einen Haken: Gott wird hier zu einem sterblichen Etwas. Stirbt der Mensch, stirbt auch Gott. Dass ist aber total unbefriedigend. Deshalb vertrete ich auch einen physiomonistischen Pantheismus. Hartmut von Sass kritisiert, dass hier die Welt einfach simpel mit Gott gleichgesetzt wird, damit hat er Recht. Deshalb plädiere ich dafür beide Möglichkeiten zusammen zu denken. Den pantheistischen Gott und den atheistischen Gott. Das traditionell verstandene Gottesbild ist völlig unattraktiv. Es gibt im Universum nicht den geringsten Hinweis für die Existenz eines personalen Gottes. Im Gegenteil: Das Universum geht keinen Ziel entgegen, sondern seinen Untergang, wahrscheinlich dem „Big Freeze“. Es gibt noch andere Möglichkeiten, aber dass das Universum endet, ist unter führenden Kosmologen unbestritten. Das Leben im Kosmos währt nicht ewig, die Existenz des Menschen endet noch viel früher. Gäbe es einen personalen Gott, er würde dem Menschen nur ein winziges Zeitfenster einräumen. Nun kann man einräumen, ob man einen solchen Gott überhaupt braucht, warum nicht gleich auf einem “Reinen Atheismus“ setzen? In der Tat, das kann man durchaus, aber ich persönlich finde das nicht sonderlich attraktiv, der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Ich halte „Atheistisch glauben“, aber nur dann für attraktiv, wenn der Physiomonistische Gott gleich mitgedacht wird. Gott überdauert damit die eigene Existenz und Gott ist mehr, als das er sich im völlig überschätzten Menschen zeigt. Man denkt also mehrere Sachverhalte zusammen, wenn man „ Gott denkt“.

Freitag, 7. Oktober 2022

Aus der Sicht eines Pfarrers

Atheismus und Existenz Gottes Gibt es Gott überhaupt? Was meinen sie – ob es Gott wohl gibt? Zugegeben: Das ist eine ziemlich seltsame Frage für einen Pfarrer. Schließlich machte es keinen Sinn, dieses Amt auszuüben, wenn es Gott nicht gäbe. Und doch kommen wir um diese Frage nicht herum. Denn selbst wenn sie uns nicht beschäftigen sollte, so ist sie doch die Frage vieler Zeitgenossen. Wir müssen uns mit ihr schon deshalb auseinander setzen, weil es heute Mode geworden ist, eher nicht an Gott zu glauben – und das heißt in der einfachsten Form: Einfach seine Existenz zu bestreiten. Das Problem ist nur, dass, wenn wir als Christen unseren Glauben dagegenhalten, wir sehr schnell in eine fruchtlose Debatte hineingeraten. Da behauptet einer, es gäbe Gott gar nicht. Und wir antworten: Na klar gibt es Gott. Und wenn man dann beginnt, Argumente auszutauschen, entsteht eine weitschweifige Diskussion. Mich erinnert das immer an Gespräche über das Ungeheuer von Loch Ness. Die verlaufen oft ähnlich. Gibt es nun im schottischen Loch Ness ein Ungeheuer oder nicht? Einer bestreitet es – einer behauptet es. Es gibt viele Zeugen, die es gesehen haben wollen – aber nicht alle sind vertrauenswürdig. Es gibt Fotos von jenem Ungeheuer – aber sie sind alle ziemlich unscharf. Es wäre biologisch durchaus möglich, dass in den besonderen Bedingungen des Loch Ness urzeitliche Plesiosaurier überlebt haben könnten – aber hätte man sie mit Echolot und U-Booten nicht längst finden müssen? O ja, das Ungeheuer von Loch Ness gibt immer Stoff für ein interessantes Gespräch her. Und das Thema ist gerade deshalb unerschöpflich, weil niemals ein Gespräch darüber zu einem gesicherten Resultat führt. Es ist unmöglich, die Existenz jenes geheimnisvollen Wesens zu beweisen, solange man es nicht fängt. Und es ist erst recht unmöglich, zu beweisen, dass es nicht existiert. Der Streit über diese Frage geht also immer unentschieden aus. Und ist das nicht im Streit um Gott auch so? Ja, tatsächlich verlaufen Diskussionen über Gott meist genauso: Für den einen gibt es klare Indizien für die Existenz Gottes, und der andere lässt diese Indizien nicht gelten. Gemeinsam durchsucht man das Universum nach Spuren Gottes, wie man einen unaufgeräumten Keller durchsucht nach einem vermissten Gegenstand. Aber man findet ihn nicht. Und dann sagt der eine: Wir haben ihn nicht gefunden, weil es ihn nicht gibt. Und der andere sagt: Wir haben ihn nicht gefunden, weil wir nicht gründlich genug gesucht haben. Der Erste verlangt Beweise, dass es Gott gibt – da muss der Zweite passen. Der Zweite verlangt den Gegenbeweis, dass es Gott nicht gibt – und da muss dann der Erste mit den Schultern zucken. Am Ende der Diskussion wird man die Frage nach der Existenz Gottes offen lassen, so wie man die Frage nach der Existenz des Ungeheuers von Loch Ness offen lassen muss. Keiner wurde von seiner Meinung abgebracht, alle kehren zum Alltag zurück, keiner muss irgendwelche Konsequenzen ziehen – aber interessant war’s doch. Nur eben fruchtlos. Denn wer ganz entschieden an Gottes Existenz glaubt oder wer daran ganz entschieden nicht glaubt, scheint in jedem Falle mehr zu behaupten, als er wissen kann. Das Vernünftigste scheint darum zu sein, dass man sich in dieser Sache nicht festlegt – und so machen es ja auch die meisten unserer Zeitgenossen. Ich für meinen Teil aber finde diese Art von Gespräch unsachgemäß. Und ich halte auch die Schlussfolgerung für schlecht begründet. Denn wer ein wenig nachdenkt, müsste darauf kommen, dass es einen Unterschied macht, ob der Diskussionsgegenstand „Gott“ heißt oder „das Ungeheuer von Loch Ness“. Wären Gläubige und Ungläubige an dieser Stelle etwas kritischer gegenüber ihrer eigenen Fragestellung, so müssten sie eigentlich merken, dass Debatten, die nach dem beschriebenen Schema verlaufen, von drei falschen Voraussetzungen ausgehen: 1. Man redet von Gott wie von einem Ding unter anderen Dingen, d.h. man unterstellt, er „sei“ in derselben Weise wie wir „sind“, und man durchstöbert infolgedessen das Universum nach Gott, als wäre er ein Bestandteil des Universums. 2. Man ordnet die Gottesfrage jenen schwer entscheidbaren Fragen zu, die interessant sein mögen, die man aber getrost offen lassen kann, und bei denen der am wenigsten riskiert, der sich nicht festlegt. 3. Man unterstellt, christlicher Glaube sei nur möglich, wenn man die Zweifel an Gottes Existenz unterdrückt und sich wider besseres Wissen als sicher einredet, was nicht sicher ist. Alle drei Voraussetzungen sind grundfalsch und müssen korrigiert werden: 1. Wenn man über die Existenz Gottes in derselben Weise diskutiert, wie über die Existenz jenes ominösen Ungeheuers von Loch Ness, übersieht man, dass zwischen beiden ein gravierender Unterschied besteht: Das Ungeheuer von Loch Ness ist (wenn es denn existiert) jedenfalls ein Teil der kreatürlichen Wirklichkeit. Es ist ein Teil dieser Welt, den man irgendwo in dieser Welt zu suchen hat. Das ist so selbstverständlich, wie man einen Schuh im Schuhregal und einen Schraubenzieher im Werkzeugkasten sucht. Wer aber das Universum durchstöbert, um darin Gott zu finden, der hat noch gar nicht begriffen, was und wen er da eigentlich sucht. Denn Gott ist kein Bestandteil dieses Universums, er ist der Schöpfer des Universums. Gott ist kein gasförmiges Wirbeltier, das den Himmel besiedelt, wie wir die Erde besiedeln. Gott ist kein Geschöpf – was also macht es für einen Sinn, ihn in dieser geschöpflichen Welt zu suchen? Man kann Gott nicht in der Welt finden, denn Gott ist nicht in der Welt, sondern die Welt ist in Gott. Wer also Gott sucht, wie man ein Ding unter anderen Dingen sucht, ist von vornherein auf dem Holzweg. Er mag das Unterste zuoberst kehren, es wird vergeblich sein, solange ihm die Differenz nicht bewusst wird: Gott ist nicht „Etwas“, was es neben allem, was es so gibt, auch noch gibt. Gott ist kein Lebewesen, das wir in den Katalog sonstiger Lebewesen aufnehmen könnten. Er gehört nicht in die Reihe der in dieser Welt vorfindlichen Phänomene, weil für uns nur vorfindlich sein kann, was von unserer Art, was nämlich geschöpflich ist. Von allem Geschöpflichem aber ist der Schöpfer strikt unterschieden. Oder sucht man den Maler in den Bildern, sucht man den Töpfer unter den Töpfen und den Komponisten zwischen den Noten? Nein. Der Meister ist nicht das Werk, er steht dem Werk gegenüber. Warum also erwartet man, Gott als Bestandteil dieser Welt zu finden? 2. Die Gottesfrage ist eine Frage, die nicht mittels vernünftiger Beweise oder experimenteller Nachweise entschieden werden kann. Trotzdem aber kann niemand diese Frage auf sich beruhen lassen, um gewissermaßen neutral zu bleiben. Auch hier liegt ein gravierender Unterschied zum Ungeheuer von Loch Ness. Denn wenn die Frage nach dem Ungeheuer derzeit unentscheidbar ist, dann mag das vielleicht unsere Neugier kränken. Ein echtes Problem ist es aber nicht. Denn im Grunde kann uns ja egal sein, was da in Schottlands Seen herumschwimmt oder nicht. Mag es da etwas geben oder nicht: Auf mein Leben hat das keinerlei Auswirkungen, es kann mir von Herzen gleichgültig sein. Ich muss mich in diesem Streit nicht entscheiden. Was aber Gott betrifft, verhält es sich anders. Da muss ich entscheiden. Es bleibt mir gar nichts anderes übrig. Denn auch wenn ich die Frage nach Gott aus meinen Gedanken verdränge: Ich werde durch die Art, wie ich lebe, faktisch die Entscheidung treffen, ob ich mit Gott rechne oder nicht. Ich behandle meine Kinder wie ein Geschenk Gottes oder ich behandle sie wie mein eigenes Produkt. Ich unterlasse das Böse auch im Verborgenen, weil ich damit rechne, dass Gott mich sieht, oder ich unterlasse das Böse nur, wenn ich dabei von Menschen erwischt werden könnte. Ich benehme mich in der Natur wie ein Gast in Gottes Garten oder ich führe mich in der Natur als Eigentümer und Hausherr auf. Ich finde am Sonntag den Weg in die Kirche, oder ich finde ihn nicht. Ich übe mich in Nächstenliebe oder übe mich nicht. Ich vergebe meinen Schuldigern oder vergebe ihnen nicht. In alledem entscheide ich faktisch über mein Verhältnis zu Gott, denn die Frage nach meinem Gottesverhältnis ist in jenen anderen Fragen immer mit enthalten. Und dabei ist es völlig gleich, ob ich viele Worte darum mache, dass ich doch nicht wüsste, ob es Gott gibt und unentschieden wäre. Nein, die Ausrede gilt nicht. Denn das Tun meiner Hände und der Weg meiner Füße spricht eine viel klarere Sprache als der Mund. Mögen meine Gedanken auch der Entscheidung ausweichen, so verrät doch mein Tun, dass ich so oder so entschieden habe. Atheist oder Christ zu sein, ist nämlich gar keine theoretische, sondern eine höchst praktische Frage. Ich gehe keinen meiner alltäglichen Schritte in Neutralität: Ich gehe ihn entweder mit oder ohne Gott. Wer sich also vornehm zurückhalten will mit der Begründung, es sei doch ein Wagnis, sich in einer unsicheren Frage auf diese oder jene Seite zu stellen, der macht sich etwas vor. Denn es ist zwar ein Risiko, an Gott zu glauben – es könnte durchaus sein, dass es ihn nicht gibt. Es ist aber kein geringeres Risiko, nicht an Gott zu glauben – denn es könnte durchaus sein, dass es ihn doch gibt. Es ist also keineswegs so wie Gottesleugner es gern darstellen: Dass der Atheist sich nüchtern auf den Boden der gesicherten Erkenntnisse stellt, während der Christ sich auf den schwankenden Boden bloßer Vermutungen begibt. Nein. Vielmehr sind hier alle in einem Boot: Alle wagen etwas, alle können mit ihrer Entscheidung falsch liegen – und doch kommt keiner um diese Entscheidung herum. 3. An dieser Stelle freilich liegt noch einmal ein großer Stolperstein. Denn so fragen uns die vielen Zweifler: Wie kannst du glauben, wenn du doch nicht genau weißt, ob es Gott gibt? Wie kann dein Glaube Gewissheit haben, wenn doch Gottes Dasein nicht gewiss ist? Musst du da nicht deinem Verstand Gewalt antun, musst du nicht ständig Zweifel unterdrücken und wider besseres Wissen so tun als sei sicher, was doch nicht sicher ist? Ist das nicht unwahrhaftig? So fragen uns die, die den Glauben von außen kennen. Wer selbst glaubt, wird sich aber darin missverstanden fühlen. Denn unwahrhaftig wäre unser Bekenntnis ja nur, wenn wir behaupteten zu wissen, was wir nicht wissen. Als Christen behaupten wir aber gar nicht, von Gott sicheres Wissen zu haben, sondern wir sagen, dass wir an ihn glauben. Und das ist ein Unterschied. Denn im strengen Sinne weiß man nur, was man beweisen kann. Zu beweisen wäre Gottes Dasein aber nur, wenn wir ihn wie einen Tanzbären dem staunenden Publikum zur Begutachtung vorführen könnten. Das lässt Gott natürlich nicht mit sich machen. Er nennt vielmehr die selig, die nicht sehen und doch glauben. Und das ist keineswegs eine Zumutung. Denn der Glaube richtet sich zwar auf Gott. Er hängt aber nicht ab von Beweisen der Existenz Gottes. Ja es mag sogar Tage geben, wo man es nicht mal wahrscheinlich findet, dass Gott existiert. Es gibt Tage, an denen der Himmel leer und die Welt von Gott verlassen scheint. Doch daran zerbricht der Glaube nicht. Sondern es kann durchaus sein, dass er gerade an solchen Tagen an Kraft und Entschlossenheit gewinnt und sagt: „Gott, manchmal spüre ich dich nicht. Aber auch wenn es dich nicht gäbe, würde ich immer noch an dich glauben. Ich würde ein Glaubender bleiben, auch wenn du nicht da wärst. Denn vieles in dieser Welt ist zweifelhaft und ungewiss, Gott. Eins aber ist gewiss: Wenn es dich nicht gäbe, würde ich lieber dein Nicht–Sein mit dir teilen, als in einer Welt zu leben, die ohne Sinn und Hoffnung ist, weil du ihr fehlst.“ Mag sein, dass solches Festhalten an einem Gott, dessen Existenz unsicher ist, zunächst widersinnig und paradox erscheint. Und doch ist viel Erkenntnis, viel Mut und viel Freiheit in diesem Standpunkt. Es steckt die Erkenntnis darin, dass es immer noch besser wäre, im Zeichen des Glaubens zu irren, als im Zeichen des Unglaubens Recht zu haben. Es steckt der Mut darin, das eigene Schicksal bedingungslos mit Gottes Schicksal zu verknüpfen. Und es steckt darin Freiheit gegenüber den Spitzfindigkeiten unserer Vernunft, die das Dasein Gottes mal wahrscheinlich und dann wieder unwahrscheinlich finden mag. Dieser Glaube bliebe nämlich, was er ist, selbst wenn die Atheisten Recht hätten: Oder würde ein Fisch, wenn man ihm bewiese, dass es kein Wasser gibt, deswegen ein Vogel werden? Nein. Er würde sterben – aber er bliebe ein Fisch. Oder würde ein Vogel, wenn man ihm bewiese, dass es keine Luft gibt, deswegen zum Fisch werden? Nein. Er würde zugrunde gehen – aber er bliebe ein Vogel. Darum gilt dasselbe auch von Christen: Wenn man einem Gläubigen bewiese, dass es Gott nicht gibt, so würde er deswegen kein Heide. Er wäre gescheitert, ja – aber er bliebe ein Glaubender. Und er könnte dann immer noch sagen: Es ist besser, so groß gehofft zu haben und widerlegt zu werden, als diese große Hoffnung nie gekannt zu haben.